Am andern Ende der Telefonleitung holt Monika Beutler Luft. Dann folgt ihr Satz: «Es geht um die Zeit ohne Bildschirm». Dabei hat die Leiterin des Dokumentationszentrums der PH Freiburg in den letzten Jahren ein Angebot exklusiv für die Zeit am Bildschirm massgebend mitentwickelt: laPlattform. Ab 16. März hat der interkantonale Online-Dienst für Film und Ton in der Schule die Möglichkeit geschaffen, Inhalte nicht nur im Klassenverbund zu nutzen, sondern den Zugang allen Schülerinnen und Schüler individuell zu erlauben. Lehrmittelverlage und weitere Inhaltsanbieter haben ihrerseits Zugänge freigegeben, die normalerweise lizenzpflichtig sind. Zudem haben die SRG-Schuldienste die Archive weit geöffnet. In der Woche vor den Osterferien (30.3.–3.4.) haben sich 4'700 Benutzer bei laPlattform angemeldet und fast 29'000 Seiten angeschaut. Die Technik hält dieser deutlichen Steigerung der Zugriffe stand. Aber für Monika Beutler ist klar: «Wir sehen die Grenzen der Belastbarkeit und bereiten uns auf einen Systemwechsel vor.»

Doch das ist ein Vorhaben für nächstes Jahr. Viel drängender wurde zum Frühlingsbeginn der Ruf nach einer anderen Innovation – einer für die Zeit ohne Bildschirm. Seit Ostern bietet das Dokumentationszentrum der PH Freiburg einen Postversand für Bücher, Klassensätze, und weitere physische Angebote an. Einen solchen Dienst bieten nur wenige Didaktische Zentren an. Die PHBern hat ihn über alle technologischen und organisatorischen Wechsel der letzten Jahrzehnte hinweg immer aufrechterhalten. Die eingespielten Abläufe kamen dem 13-köpfigen Team unter der Leitung von Claudia Zulian jetzt zugute. In der Woche vor den Osterferien trafen mehr als 550 Bestellungen ein, so viele wie sonst kaum in der Zeit vor den Frühlingsferien.

Wie hat sich die Nachfrage seit Beginn des Fernunterrichts verändert?

Claudia Zulian (C. Z.): Analoge und digitale Mittel werden bewusster eingesetzt. Sehr gefragt sind aktuell die Themenkollektionen. Dabei stellen wir zum gewünschten Thema eine individuelle Medienauswahl zusammen. In der aktuellen Situation eine wertvolle Unterstützung für die Lehrpersonen, wie entsprechende Feedbacks zeigen. Gefragt sind aktuell vor allem Unterrichtsmaterialien, welche sich für den Fernunterricht eignen. Bei uns heisst das konkret, Printmedien, IdeenSets und natürlich auch die Online-Filme. Dankbar sind die Lehrpersonen zudem für die persönliche Beratung am Telefon – und für die Möglichkeit, persönliche Abhol- und Rückgabetermine zu vereinbaren. 

Monika Beutler (M. B.): Ich kann die Beobachtungen von Claudia voll und ganz unterstützen. In dieser Zeit schärft sich der Sinn dafür, was digital funktioniert – und was Digitalität nicht ersetzen kann. Bei uns werden die Klassensätze zunehmend stärker nachgefragt. Nachdem die Zeit vor Ostern vor allem auch dem Aufbau der Kommunikationswege zwischen den Lehrpersonen und den Schülerinnen und Schülern gewidmet war, liegt der Fokus der Lehrerinnen und Lehrer nun spürbar stärker bei der inhaltlichen und medialen Vielfalt. Die Lehrpersonen reagieren auch auf die Rückmeldungen der Eltern, die weniger Zeit am Bildschirm wünschen oder schlicht für länger dauernde Aufgaben nicht genügend Geräte für mehrere Kinder (und ihr eigenes Homeoffice) zur Verfügung haben. Wir merken zudem, dass sich unsere Studierenden nun auf Ihre Praktika – die voraussichtlich ebenfalls im Fernunterricht stattfinden werden – vorzubereiten beginnen und ein starkes Bedürfnis nach Material und Beratung haben.

Welche Unterschiede stellen Sie zwischen den verschiedenen Stufen fest?

C. Z.: Es gibt ganz klare Unterschiede beim Medieneinsatz in den verschiedenen Zyklen. Die Schwerpunkte liegen beim Zyklus 1 auf den analogen und beim Zyklus 3 auf den digitalen Medien. Natürlich setzt man in allen Zyklen auf Medienvielfalt. In der aktuellen Situation ist der temporäre Zugriff auf die Online-Filme für die Schülerinnen und Schüler des Zyklus 3 und die Nutzung der IdeenSets sicher sehr hilfreich. Für die kleineren Kinder stehen hingegen analoge Medien, Kopiervorlagen, Übungsbeispiele und spielerische Lernformen im Vordergrund. Die sonst stark nachgefragten Medien- und Materialkisten, lassen sich im Moment weniger gut einsetzen. Die Nutzung dieser vielfältigen Kisten mit einem Mix aus Medien und Objekten zum Anfassen, Experimentieren und handlungsorientierten Arbeiten, ist im analogen Unterricht viel effektiver.

M. B.: Den Unterschied beim Medieneinsatz in den verschiedenen Zyklen stellen auch wir fest, dementsprechend reagieren die Lehrpersonen des 1. Zyklus auch besonders stark und erfreut auf unser neues Angebot der Abholmöglichkeit vor Ort und des Postversands. Wir versuchen besonders auch das spielerische Lernen und den Einbezug der Natur für die Lerneinheiten zu unterstützen.

Ein verbreitetes Thema sind neue Formen des Zusammenspiels zwischen analogen und digitalen Lernmedien, -orten, -formen. Können Sie ein Beispiel aus Ihren Beobachtungen nennen?

C. Z.: Ein wichtiger Aspekt! Diese Kombination versuchen wir seit einigen Jahren schon mit unseren IdeenSets abzudecken. Diese unterstützen Lehrpersonen bei der Vorbereitung ihres Unterrichts. Sie kombinieren digitale Lehr- und Lernmedien mit ausleihbaren Unterrichtsmaterialien. Beispiele: IdeenSet Gallo-römische Zeit, IdeenSet Räume erforschen, IdeenSet Postkoloniale Schweiz, IdeenSet Heilige Schrift – um nur einige Beispiele der rund 65 Sets zu nennen.

M. B.: Die IdeenSets aus Bern sind sehr wertvoll, wir weisen unsere Kundinnen gerne darauf hin. Wir sehen auch, dass die Filme von laPlattform meistens mit analogen Medien und Aufträgen gekoppelt werden. Ansonsten stelle ich immer noch – teilweise mit Erstaunen fest – dass «digital» oft einfach «digitalisiert» heisst. Hier wünschen wir uns aus den Bibliotheken seit längerem eine wirkliche Weiterentwicklung und sind zuversichtlich, dass gerade die Lehrmittelverlage viele lehrreiche Inputs erhalten und ihr Angebot in dieser Richtung weiterentwickeln werden.

Ein digitaler Röstigraben?

Hier deutsch, dort französisch, hier Lehrplan21, dort PER: Monika Beutler schildert ihre Beobachtungen während der Corona-Krise in den beiden Sprachregionen ihres Kantons.

Das Zusammenspiel zwischen analog und digital unterscheidet sich nicht so sehr, das verfügbare Angebot jedoch schon. Über die zentrale Plattform des PER sind Teile vieler offizieller Lehrmittel schon länger digital verfügbar, so dass das Bedürfnis nach der elektronischen Verfügbarkeit von Lehrmitteln direkt von den Verlagen weniger vorhanden ist. Allerdings gibt es auf Französisch viel weniger ergänzendes elektronisches Material. Es ist eher der Umgang mit der Thematik Fernunterricht, der sich etwas unterscheidet. Der französischsprachige Teil stützt sich stärker auf die offiziellen Lehrmittel und bleibt näher bei den traditionellen Inhalten und Lernzielen. Der deutschsprachige Teil fokussiert sich getreu des auf Kompetenzen basierenden Lehrplan21 stärker auf die Vermittlung von der besonderen Situation angepassten Kompetenzen.

 

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